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Juan Carlos Paz

Herkunftsland: Argentinien
Geburtstag: 5. August 1901
Todestag: 25. August 1972

Über Juan Carlos Paz

Wie kein zweiter hat Juan Carlos Paz als Komponist und Konzertveranstalter, Musikwissenschaftler und Pädagoge, Autor und Filmschauspieler die Avantgarde Argentiniens und Lateinamerikas über ein halbes Jahrhundert ästhetisch geprägt – kaum ein lateinamerikanischer Komponist heute, der nicht von Paz beeinflusst wäre.

Dieser immense Einfluss, der in eigentümlichem Widerspruch zur Einsamkeit im Leben und zur geringen öffentlichen Wirkung heute steht, gründet sowohl im vielseitigen Werk, das sich von der Zwölftontechnik über metrische Experimente und Jazzeinflüsse bis zu körperlichen Kompositionen und freien Konzepten erstreckt, als auch in den weit verzweigten Kontakten des hoch gebildeten Kom- ponisten, der mit Künstlern, Malern, Schriftstellern seiner Zeit in regem Austausch stand.

Juan Carlos Paz verkörpert einen zeitlebens fragenden Geist, der die künst- lerische Avantgarde propagierte und förderte und damit im Gegensatz zu dem sogenannten musikalischen Nationalismus eines Alberto Ginastera oder Carlos Chávez stand. Paz’ frühe Kompositionen waren von Richard Wagner, César Franck und Claude Debussy beeinflusst. Danach experimentierte er mit der Polytonalität, so besonders in Tema con transformaciones (1928, ursprünglicher Titel Variaciones politonales), in dem mehrere Notenschlüssel gleichzeitig vor- geschrieben sind. 1934 schrieb Paz als erster lateinamerikanischer Komponist ein Werk in Zwölftontechnik: die Primera composición dodecafónica, op. 26 für Flöte, Englischhorn und Violoncello, mit der er Schönbergs Methode der „Komposition mit zwölf Tönen“ in Lateinamerika einführte und verbreitete. In den 1940er Jahren löste er sich zunehmend von der strengen Reihentechnik, um additive und unregelmäßige Metriken mit neuen Orchestrationen und freien Strukturen zu benutzen, inspiriert unter anderem von der Musik von Edgard Varèse, mit dem er befreundet war und einen regen Briefwechsel unterhielt. Gegen Ende seines Lebens experimentierte Paz, seiner Neugierde und Abenteuerlust treu bleibend, auch mit Aleatorik und grafischer Notation, so in den frei zu besetzen- den Seis eventos aus dem Jahre 1972.

Paz war ein weit geschätzter Lehrer und eine Referenzfigur für bedeutende Komponisten wie Mauricio Kagel, Mariano Etkin und viele andere. Er organisierte Konzertreihen für Neue Musik, in denen wichtige Werke von Arnold Schönberg, Anton Webern, Charles Ives, Edgard Varèse, Karlheinz Stockhausen, Luigi Nono, Bruno Maderna, Luciano Berio u.a. zusammen mit vielen Werken junger argenti- nischer Komponisten (ur-)aufgeführt wurden. Seine kontinuierlichen Aktivitäten als Komponist, Dozent, Konzertveranstalter und Musikwissenschaftler waren entscheidend für die Öffnung der argentinischen Musik- und Kunstszene, die zu dieser Zeit streng akademisch organisiert war. Es war wie ein frischer Wind, der den aufstrebenden Komponistengenerationen auf der Suche nach neuen ästheti- schen Möglichkeiten zu einer eigenen musikalischen Sprache verhalf.

Juan Carlos Paz studierte zunächst Klavier, Orgel und Harmonielehre in Buenos Aires. Nach autodidaktischen Studien klassischer Partituren sowie Lek- türe von Vincent D’Indys Cours de Composition Musicale (1903 und 1909) ent- schied er sich 1924, D’Indys Kurse an der Schola Cantorum in Paris zu besuchen. Ende 1924 kehrte Paz nach Buenos Aires zurück. 1929 gründete er zusammen mit anderen argentinischen Komponisten die „Grupo Renovación“, in deren Kon- zerten er eine aktive Rolle als Komponist und Pianist spielte. 1937 verließ Paz die Gruppe und gründete die „Conciertos de la Nueva Música“, später bekannt als die „Agrupación Nueva Música“, um die neuesten musikalischen Trends voranzutreiben. Er war permanent in Kontakt mit bedeutenden Künstlern seiner Zeit und auch als Schriftsteller tätig. Seine Artikel erschienen in Kunstzeitschrif- ten, wie beispielsweise in den Anales de Buenos Aires (wo auch Julio Cortázar publizierte) und den Papeles de Buenos Aires, herausgegeben von Macedonio Fernández. Er hatte auch Kontakt mit dem Maler und Surrealisten Xul Solar, der Madí-Gruppe und anderen Künstlern. Zudem war er eng mit dem Filmregisseur und -autor Leopoldo Torre Nilsson verbunden: Paz komponierte die Musik für sechs seiner berühmtesten Filme. Nicht zuletzt spielte Paz eine wichtige Rolle in dem Kultfilm Invasión von Hugo Santiago (1969).

Wolfgang Rüdiger

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