INHALT
Im Reich des Kaisers Mung Tha Bya macht sich der Diener Tum Tum auf, um für seinen Herrn Zatwai eine Dame aus dem Harem des Kaisers zu holen, die durch eindeutige Zeichen Herrn Zatwai gegenüber Interesse bekundet hatte. Unterwegs begegnen ihm zwei Bajaderen, die ebenfalls von Zatwai eingeladen worden sind, und ein Bettler, der in Manier eines Hofnarren zynisch mahnt, der menschlichen Vergänglichkeit zu gedenken. Tum Tum erfährt, dass nicht nur eine Haremsdame bereit ist, sich auf ein Techtelmechtel mit seinem Herrn einzulassen, sondern gleich vier. Der auf einem Nusch-Nuschi („halb große Ratte, halb Kaiman“) reitende Gott des Verlangens Kamadewa prophezeit Tum Tum Gutes und entschwindet.
Der betrunkene und prahlende Feldgeneral Kyce Waing stolpert auf dem beschwerlichen Heimweg über das Nusch-Nuschi. Dienstbeflissen eilt Tum Tum dem Verängstigten zu Hilfe, trifft aber mit seinen Schlägen lediglich den General, unter dessen Gewicht das Nusch-Nuschi erdrückt wird. Kyce Waing aber glaubt, Tum Tum habe ihm mit großem Heldenmut das Leben gerettet. Zum Dank nimmt er ihn in seine Dienste auf. Der schöne Zatwai empfängt in seinem Gemach eine Haremsdame nach der anderen, während Bajaderen Liebeslieder anstimmen und die wartenden Damen sich in erotischen Phantasien ergehen. Vor dem Gericht des Kaisers muss sich Tum Tum gegen die Anklage der Entführung der Frauen des Kaisers verteidigen. Darauf hinweisend, er habe lediglich im Auftrage seines Herrn gehandelt, wird er von aller Schuld freigesprochen. Sein jetziger Dienstherr, Feldgeneral Kyce Waing, wird als vermeintlicher Auftraggeber dieses Raubes zur Kastration verurteilt. Doch der dienstbeflissene Henker kann nur feststellen, dass der General bereits entmannt sei. Der erheiterte Hofstaat löst sich auf, Liebeslieder und Lobgesänge auf Jugend und Schönheit erklingen. Der alte Bettler schreitet, eine Holzglocke schwingend, schweigend vorüber.
KOMMENTAR
Am 14. August 1920 beendete Hindemith Das Nusch-Nuschi. Mit seinem heiter-frivolen Klamauk bildet das „Spiel für burmanische Marionetten“ das burleske Gegenstück zu den beiden anderen Einaktern Mörder, Hoffnung der Frauen und Sancta Susanna. Die Zusammenstellung der drei Einakter ähnelt denen der Pariser Grand-Guignol-Spektakel, die Stücke verschiedener Stilrichtungen kombinierten. Das Nusch-Nuschi steht in der Verwendung stereotyper Figuren und zahlreicher Lazzi (Slapstick- Einlagen) in der Tradition der Commedia dell‘arte und persifliert als Marionettenstück europäische Theater- und Opernformen. Jegliches romantisches Pathos liegt dem Stück fern. Derb-obszöne Situationskomik und exotisches Ambiente sind weitere Zutaten des Stückes. Die Szenen reihen sich aneinander, ohne den Anspruch dramatischer Entwicklung zu erheben. Traditionelle musikalische Formen werden von Hindemith aufgegriffen und mit kaleidoskopartiger Virtuosität aneinandergefügt, oft mit parodistischen Intentionen. Von den sich puritanisch gerierenden Zeitgenossen Hindemiths als Sakrileg verurteilt wurde das König Marke-Zitat aus dem 2. Akt von Tristan und Isolde („Mir dies!“), einem Meilenstein der musikalischen Moderne. Autoreferentielle Merkmale eignen den Erläuterungen Hindemiths zum dritten Tanzstück: „Folgende ‚Choralfuge‘ (mit allem Komfort: Vergrößerungen, Verkleinerungen, Engführungen, Basso ostinato) verdankt ihr Dasein lediglich einem unglücklichen Zufall: Sie fiel dem Komponisten ein. Sie bezweckt weiter nichts als dies: sich stilvoll in den Rahmen dieses Bildes zu fügen und allen ‚Sachverständigen‘ Gelegenheit zu geben, über die ungeheure Geschmacklosigkeit ihres Schöpfers zu bellen. Hallelujah! – Das Stück muss in der Hauptsache von zwei Eunuchen mit ganz ungeheuer dicken nackten Bäuchen getanzt (gewackelt) werden.“ (H.-J. W.)